Hallo zusammen,
diese besondere Zeit des Jahres weit entfernt von der Familie zu verbringen, ist immer komisch, besonders die gemeinsamen Adventssonntage mit Plätzchen haben mir sehr gefehlt. Aber nun ist der erste Weihnachtstag und alles schon fast wieder vorbei. Ich sitze im Bus und darf morgen arbeiten.
Dabei ist es sogar relativ kalt und seit Anfang des Monats ist Salinas geschmückt mit unzähligen grellblinkenden Lichtern, viel Glitzer und Kitsch. Als am 3. Dezember die Lichter das erste Mal angezündet wurden, gab es ein großes Fest, die Kinder in der Kommunionsvorbereitung haben gesungen und es wurden Reden geschwungen.
Aber besonders die Vorstellung, dass nicht alle Familien genug Geld haben, um ihren Kindern was zu schenken oder groß zu feiern, trübt die Vorfreude. Ich freue mich mit meiner Freiwilligenarbeit immerhin den Senioren und Kleinkindern, mit denen ich zusammenarbeite, ein Gefühl der Gemeinschaft und Vorfreude aufs Weihnachtsfest vermitteln zu können.
Im Seniorenzentrum haben wir aus einem Sack aus der hintersten Ecke einen Plastiktannenbaum hervorgekramt, zusammengesteckt, die Äste gerade gebogen und mit allerlei Kugeln und Schleifen dekoriert. Davor haben wir dann aus Plastikfiguren noch eine Krippe aufgebaut. Außerdem war meine Mitarbeiterin Anfang des Monats einkaufen und brachte Berge an tollen Bastelmaterialien. Beste Voraussetzungen also, um die Nachmittage mit dem Basteln von Weihnachtsbäumen, Zipfelmützen oder Wichteln zu verbringen. Ansonsten waren den ganzen Dezember immer Schülergruppen aus einer Schule in Riobamba zu Besuch in Salinas, um die verschiedenen Einrichtungen und Fabriken zu besuchen, und jeden Tag waren zwei neue auch bei den Senioren und haben geholfen.
Morgens gehe ich jetzt eigentlich immer in die Guarderia zu den kleinen Kindern, wo ich immer herzlich willkommen werde und weiterhin fleißig die Wände hübsch bemale. Aber wir spielen und singen oft auch zusammen und ich helfe beim Füttern.
Neun Tage vor Weihnachten haben nun auch die Novenas begonnen, als Vorbereitung auf die Ankunft Jesu. Es führen Umzüge durch die Straßen, bei denen viel gesungen und gebetet wird. Sogar zwischen den Marktständen wurde schon Messe gehalten. Abends bereitet jeden Tag eine andere Organisation eine Reflexion zu verschiedenen Aspekten der Weihnachtsgeschichte vor. Zum Abschluss gibt es Buñuelos, ein frittiertes Teiggebäck mit Honig, welches typisch ist während der Weihnachtszeit.
Auch fanden Donnerstag bereits die Weihnachtsfeiern bei den Senioren und mit den Babys statt, mit denen ich leider nicht feiern konnte, was ich ziemlich traurig fand. Der Grund dafür war ein Ehepaar aus der Schweiz, welche zu Besuch in Salinas waren, um sich einige Projekte anzuschauen, welche die Schweiz mit Geldern unterstützt hat. Da sie allerdings kein Wort Spanisch sprechen, musste ich für sie übersetzen. Natürlich ist es auch für mich interessant, mehr über die Projekte zu erfahren, aber warum müssen sie denn ausgerechnet die Tage vor Weihnachten kommen? Zum Glück sind sie Freitag schon früher als geplant aufgebrochen und ich war abends noch auf der Weihnachtsfeier der Fundacion mit rund fünfzig Leuten. Das Essen war richtig lecker, obwohl das Ganze etwas schicker war und man sofort gemerkt hat, dass einige weder wirklich mit Besteck umgehen noch ein Weinglas richtig anfassen können, aber das hat auch keinen wirklich gestört. Danach wurden Wichtelgeschenke ausgetauscht (das Treffen, wo das organisiert wurde, habe ich irgendwie verschlafen, aber da ich die meisten eh nicht kenne, fand ich es gar nicht so schlimm). Und anschließend wurde natürlich wieder viel getanzt.
Samstagmorgen haben wir das Seniorenzentrum geschrubbt und danach hab ich mich auf den Weg nach Mindo gemacht, um dort andere Freiwillige zu besuchen und Weihnachten zu verbringen. Mindo liegt ziemlich im Norden Ecuadors und ist umgeben von Nebelwald. Schon bei der Ankunft ist mir die hohe Luftfeuchtigkeit aufgefallen und ich war begeistert von dem unendlich grünen Dschungel. Die Tage sind wir viel gewandert und haben zur Erfrischung im Becken eines Wasserfalls gebadet. Und die Natur ist unglaublich, ich habe sogar das erste mal einen Tukan gesehen sowie zahlreiche andere Vögel und Schmetterlinge.
Am 24. Dezember, also der „Nochebuena“, bin ich mit einer Freundin nachmittags in ein Cafè gegangen, denn dort hatten wir Internet und konnten mit unseren Familien telefonieren, um über den Bildschirm quasi an der Bescherung teilzunehmen. Schon ein komisches, aber gleichzeitig wunderschönes Gefühl. So weit weg lernt man, die jährlichen Traditionen erst richtig zu schätzen.
Fotos von: https://luziaheusler.wordpress.com/
Abends haben wir dann mit allen Freiwilligen zusammen gekocht mit Suppe, Hauptspeise, Nachtisch und allem drum und dran, was viel Spaß gemacht hat und auch echt lecker war! Danach haben wir noch untereinander gewichtelt und Weihnachtslieder gesungen.
Ein so fremdes Weihnachten, aber es war wesentlich besser als erwartet und ich hatte letztendlich doch eine schöne Zeit. Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens, muss sich nicht immer um viele Geschenke und materielle Dinge drehen, sondern ist auch ein guter Anlass, sich zu besinnen, zu teilen und dankbar zu sein für alle seine Mitmenschen.
In diesem Sinne, hoffe ich, habt ihr alle ein frohes Weihnachtsfest!
Nachtrag:
Als ich abends zurück in Salinas angekommen bin, wurde mir von allen Seiten „Feliz Navidad“ gewünscht und ich zu noch gleich zwei Weihnachtsessen eingeladen, was mich unglaublich glücklich gemacht hat. Zunächst war ich bei der Mutter meines Gastvaters, wo sich bestimmt 25 Familienmitglieder in die winzige Küche um den Tisch gezwängt haben. Und danach war ich noch bei Jhoselyns Familie eingeladen. Beide Male gab es Truthahn und ich habe viel zu viel gegessen, weil es so lecker war. Aber es war ein wunderschöner Abschluss den Abend in Gesellschaft mit den Menschen zu verbringen, die mir hier am nächsten stehen.
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