Hallo zusammen,
mein Vater und meine Schwester haben mich für zwei Wochen hier in Ecuador besucht und wir sind durchs ganze Land gereist. Nur das vielleicht etwas mehr wie deutsche Touristen als ich es gewohnt bin. Fünf Tage ohne Reis, das viele Englisch, auf das ich dann doch auf Spanisch antworte und der Drang nach Pünktlichkeit, welche hier dann doch unwichtig wird. Es war als würden sich zwei meiner Welten vereinen.
Freudestrahlend hielt ich nach acht Monaten endlich wieder meine Schwester und meinen Vater am Flughafen in den Armen, nachdem ich die letzte Stunde damit verbracht hatte, jedes Mal nervös aufzuspringen, sobald sich bloß die Tür öffnete. Und typisch Ecuador ging das Chaos damit los, dass unser gebuchter Mietwagen nicht zur Verfügung stand und wir uns mit einem eher flachen Modell zufriedenstellen mussten, welches uns noch vor ziemliche Herausforderungen stellen würde.
Quito: Hauptstadt Ecuadors auf 2.850 m
Wie immer, kaum war ich in der Großstadt angekommen, wollte ich bloß wieder weg aus dem Trubel. Also fuhren wir direkt den ersten Morgen mit der Seilbahn auf den Pichincha, auf über 4000m, um uns zunächst einen Überblick zu verschaffen. Und wie beeindruckend war die Aussicht über die nicht enden wollende Hauptstadt Ecuadors und die in die Wolken ragenden Vulkane im Hintergrund!
Danach besuchten wir eines der größten Touristenhighlights, den Mittelpunkt der Welt. Um das imposante Denkmal ist ein riesiger Park mit allem möglichen Schnickschnack angelegt, nur dass sie sich in Wirklichkeit damals um 250 m vermessen haben. Trotzdem gab es während der Mittagszeit kaum Schatten zu sehen.
Von dort ging es zurück in die historische Altstadt Quitos. Dort besichtigten wir zunächst die Basilika, welche für Europäer vielleicht nicht ganz so eindrucksvoll ist, aber mich inzwischen jedes Mal über ihre Pracht staunen lässt. Jede Provinz hat dort ihre Jungfrau als Schutzpatronin stehen, welche für die katholischen Ecuadorianer eine hohe Bedeutung haben. Die Gassen und Plätze waren gefüllt von Straßenverkäufern, spielenden Kindern und politischen Rednern. Wir schlenderten umher zwischen den hübschen Häusern im Kolonialstil und vielen weißen Kirchen, bis wir uns in einem netten Cafe niederließen. Schnell konnte ich meine Schwester von den frischen Fruchtsäften hier begeistern.
Abends fuhren wir noch aufs „Panecillo“, den Brötchenhügel mit der Madonna Statue, von wo man ebenfalls eine schöne Aussicht über die Stadt hat.
Zur Weiterreise von Quito mussten wir in Richtung Amazonia zunächst einmal den Bergpass überqueren. Am Straßenrand standen Schilder, die vor wilden Bären warnten. Allerdings war es so nebelig, dass wir froh waren, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren. Je tiefer wir kamen, änderte sich die Vegetation von kargem Grasland zu riesigen grünen Wäldern durchzogen von Wasserfällen und Flüssen und auch die Wolken lichteten sich.
Archidona: Im Herzen Amazonias auf 577 m
Die letzten Kilometer bis zur nächsten Unterkunft waren nur noch ein holpriger schmaler Weg mit dicken Steinen und über den Fluss führte eine abenteuerliche Hängebrücke, aber wir kamen heile an. Dort bezogen wir unsere Holzlodge und erkundeten ein wenig die Umgebung. Meine Schwester kam vor Begeisterung über die vielen Pflanzen und jedes Insekt kaum vorwärts. Auch ich genoss den Geruch und die Geräusche des Waldes.
Einen Tag erkundeten wir den „Gran Canyon“ in der Nähe von Archidona mit einem Guide. Er zeigte uns mit welchen Termiten man sich einreiben muss, damit die Mücken fernbleiben und was der Wald sonst noch so für Wundermittel bereithält. Unten im Canyon angekommen, sprangen wir einfach mit Kleidung ins Wasser, um den Fluss hoch zu einem kleinen Wasserfall zu schwimmen. Von dort ging es flussabwärts bis wir vor einer rund 8 Meter hohen Klippe standen und die Wahl hatten, zu springen oder mit der Leiter runter durch eine Höhle zu klettern. Ich sprang und weil es so viel Spaß machte, kletterte ich durch die Höhle wieder hinauf und sprang gleich noch einmal. Die türkise Lagune inmitten des Regenwaldes war ein absolut magischer Ort. Danach ging es zurück hinauf, vorbei an einem riesigen Hüttenkomplex für Touristen. Leider ist dafür mal wieder sehr viel Wald abgeholzt worden, aber durch mangelnde Promotion kommt noch keiner und alles ist wie ausgestorben. Auch ist der Tourismus in diesen Regionen oft ein Vorwand der Regierung, um schwerer erreichbare Regionen für Bergbauorganisationen zugänglich zu machen.
Nach dem Mittagssnack erkundeten wir eine Höhle. Mit unseren Taschenlampen stiegen wir eine kurze Leiter hinab in das unterirdische Gebilde. Manchmal standen wir knietief im Bächlein und Wasser schwappte in die Gummistiefel, andere Stellen konnten wir nur auf allen Vieren passieren. Die Steinbildungen waren super faszinierend anzusehen, nur die riesigen Spinnen mit roten Augen erschreckten mich jedes Mal, sobald sie im Lichtkegel meiner Lampe erschienen.
Den anderen Tag gingen wir zusammen mit einer Gruppe Raften, was super viel Spaß machte. Mal war der Fluss ruhiger und wir ließen uns gleiten, andere Male paddelten wir mit aller Kraft durch Stromschnellen, um ja nicht zu kentern. Gesäumt war der Fluss durch hohe Felswände und endlose Wälder. Wunderschön waren die blauen Schmetterlinge, welche uns zwischendurch begegneten. Auch trafen wir einige Leute mit einer kleinen dampfenden Maschine, welche das Gold aus dem Fluss filterten.
Baños: Grünes Abenteuertal auf 1.820 m
Unsere Reise führte nun weiter südlich und wieder näher heran an die Anden nach Baños. Dort erwarteten uns allerdings leider eher regnerische Tage. Dafür kamen wir in einer wunderschönen deutschen Hosteria unter, mit sehr netten Besitzern und einem riesigen Frühstück jeden Morgen. War ich überhaupt noch in Ecuador?
Wenn es mal gerade nicht schüttete erkundeten wir einige Wasserfälle, welche durch den vielen Regen nur so von Kraft strotzten und uns auch so nass sprühten. Einen Tag an dem wir nicht nass worden, gab es auf unserer Reise durch Ecuador eh kaum.
Beim zweiten Versuch zum berühmten „Casa de Arbol“ steckten wir immerhin nicht mehr ganz in den Wolken. Normalerweise hat man von dem Baumhaus eine traumhafte Aussicht über Baños und auf den Vulkan Tunguruha. Trotzdem schaukelten wir über den Abgrund.
Auf einigen Umwegen ging es dann weiter nach Salinas, meinem Zuhause. Zunächst kamen wir etwas vom rechten Weg ab, bis die Straße so schlecht war, dass wir umdrehen mussten und in Riobamba steckten wir im vielen Verkehr fest. Dafür hatten wir auf dem letzten Stück eine schöne Aussicht auf den schneebedeckten Chimborazo und trafen einige Vicuñas, bis wieder alles in Regenwolken versank. Immerhin kamen wir in Salinas an, bevor eine Schlammlawine mal wieder den Weg versperrte.
Salinas: Kleines Andendorf auf 3550 m
Auch Salinas präsentierte sich meiner Familie von seiner eher kalten, regnerischen Seite. Trotzdem wanderten wir einen Tag einen kleinen Trampelpfad zwischen den eindrucksvollen Felswänden entlang, in welchen man allerlei Höhlen entdecken kann. Oben auf den Felsen angekommen, glich die Aussicht einer weißen Wolkenwand, es fing an zu schütten und wir kamen klatschnass zurück ins Dorf. Einen sonnigen Morgen bestieg ich dafür mit meiner Schwester einen anderen Aussichtspunkt. Danach besuchten wir noch mein Kaninchen, schließlich wollten wir unbedingt die neuen Kaninchenbabys sehen. Auf unserem Weg begegneten wir auch einigen Lamas und Eseln, welche schwer mit Milchkannen oder Grasbündeln beladen waren, für meine Schwester faszinierend, für mich schon Alltag.
Ansonsten genossen wir sehr die Gastfreundschaft und Freundlichkeit von den Menschen, die ich hier im Laufe der letzten Monate kennengelernt habe. Mein Vater und meine Schwester sind herzlich empfangen worden, sei es von meiner Gastfamilie, meinen Arbeitskollegen oder Freunden, auch wenn ich meist alles übersetzen musste. Da habe ich mich wieder gefühlt wie die Brücke zwischen zwei Welten. Besonders Jhoselyns Familie hat uns liebevoll umsorgt, ich habe etwas unsicher meine Pizzabackkünste präsentiert und an Ostern haben wir alle zusammen Meerschweinchen gegessen.
Auch schauten wir uns natürlich Salinas ganzen kleinen Fabriken an, wo viele verschiedene Sorten Käse, Schokolade, ätherische Öle, Schafs- und Alpakawolle, Bälle, Sojakekse, Marmelade und viele weitere Produkte hergestellt werden. Außerdem kommt man in Salinas einfach nicht drumherum, die Salzminen zu besuchen. Niemand weiß woher genau das Salzwasser in den Becken aufsteigt. Es ist super interessant, auch für mich das alles jedes Mal aufs Neue zu sehen, und werde sicherlich mal einen ausführlichen Bericht darüber schreiben.
Von Salinas ging es dann runter an die Küste. Und wieder änderte sich die Natur schlagartig, wurde immer grüner, vielfältiger und undurchdringlicher bis wir auf der Ebene waren, die geprägt ist durch endlose gerade Straßen mit Reisfeldern und Plantagen soweit der Blick reicht, nur unterbrochen durch einfache Holzhütten auf Stelzen. Nach Stunden kam endlich das Meer in Sicht, lange Strände und Kakteen.
Puerto Lopez: Fischerort an der Pazifikküste auf 0 m
Wir stiegen aus dem gut klimatisierten Auto aus und wurden zunächst von einer Hitzewelle erschlagen, aber wir hatten auch endlich die Sonne wiedergefunden. Nachdem wir all unser Gepäck in unserer eigenen kleinen Holzhütte gelassen hatten, ging es direkt an den Strand. Und hier wird wirklich alles Mögliche angespült, von toten Tiefseefischen bis hin zu jeder Menge Plastik. Wir schlenderten bis zum Hafen, wo die Fischer gerade ihre kleinen bunten Boote fertig machten, um in der Dämmerung rauszufahren. Es gibt viele kleine Stände, wo der frische Fisch lautstark verkauft wird und über dem ganzen Geschehen kreisen kreischende Möwen.
Wir ließen uns in einem Restaurant in der Nähe nieder und ich aß zum ersten Mal Ceviche mit Shrimps. Ceviche ist ein typisches Gericht für die Küste, in dem Meeresfrüchte kalt in einer Art Limettendressing mit Tomate und Zwiebeln serviert werden. Hört sich zunächst merkwürdig an, ist aber echt lecker. Das Essen an der Küste ist sowieso ein Traum. Mit zu meinen Favoriten gehören Fisch oder Meeresfrüchte in Erdnuss- oder Kokossoße. Und natürlich dazu immer Patacones, also plattgedrückte, frittierte Kochbanane.
Der Höhepunkt des Tages war der traumhafte Sonnenuntergang überm Meer in allen nur möglichen Rottönen.
Den nächsten Tag waren wir auf der „Isla de la Plata“, auch bekannt als Galapagos für Arme, lohnenswert trotzdem allemal. Wir fuhren in einer ziemlich bunt gemischten Gruppe mit dem Boot raus, ankerten vor der Insel und lockten einige Meeresschildkröten mit Salatblättern an. Auf der Insel ging es an in glühender Hitze zunächst die Anhöhe hinauf. Zu dieser Jahreszeit soll es besonders grün sein, karg war die Insel trotzdem. Dafür sahen wir zahlreiche Blaufußtölpel aus unglaublicher Nähe. Sie ruhten sich im Schatten aus, verteidigten lautstark krächzend ihr Revier, waren auf Partnersuche und wir sahen sogar einen Tölpel, welcher am Brüten war. Außerdem bestaunten wir noch Fregattvögel, jene wo die Männchen in der Paarungszeit mit ihrem roten aufgeplusterten Bauch die Weibchen beeindrucken wollen. Ob das wirklich so attraktiv ist? Zurück von der Erkundungstour waren wir alle schweißnass und tomatenrot, sodass das Schnorcheln wie geheißen kam. Zwischen den Korallen konnte man zahlreiche kleinere und größere Fische entdecken. Nur dass viele der Korallen leider schon am Absterben sind. Ich musste mir natürlich auch noch an einer den Fuß blutig aufratschen und hoffe, ich habe nicht noch mehr Schaden verursacht. Danach flogen wir mit dem Boot über die Wellen wieder zurück.
Den letzten Tag genossen wir es einfach noch etwas Urlaub zu haben. Nach einem gemütlichen Frühstück mit Meeresblick, trafen wir uns mit meiner Freundin Julia und fuhren nach „Las Frailes“, einem traumhaften langen Sandstrand. Im Schatten eines Baumes ließen wir uns nieder, plauderten und schließlich ging ich mit meiner Schwester noch ein letztes Mal im warmen Meer baden. Mit einem süßen Welpen und den geliebten frischem Fruchtsäften ließen wir den wunderschönen Urlaub ausklingen, auch wenn ich meine Schwester leider nicht zum Salsa tanzen bringen konnte.
Am Samstag hatte der Regen uns wieder eingeholt, wir fuhren gemütlich den Rest der Küstenstraße runter, stürzten uns Verkehrschaos Guayaquils und schließlich musste ich meinen Vater und meine Schwester am Flughafen wieder verabschieden. Danke für die einzigartige Zeit zusammen und bis in drei Monaten in Deutschland!
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