Hallo zusammen,
mit dem 19. August steht nun das finale Ausreisdatum fest und damit sind es keine 50 Tage mehr bis zu meinem Abflug nach Ecuador. Und mit den zahlreichen Vorbereitungen wächst auch die Vorfreude auf meinen Freiwilligendienst.
Die Schule ist jetzt endlich geschafft und ich bin mehr als zufrieden mit meinem Abschlusszeugnis. Der Abiball heute Abend markiert das Ende dieses Lebensabschnitts und ich finde es total aufregend zu hören, welche unterschiedlichen Wege meine Stufenkameraden und Freunde einschlagen möchten. Obwohl ich sagen muss, dass ich noch gar nicht wirklich glauben kann, dass nach 12 Jahren Schule nun alles vorbei ist, ich im Gegensatz zu meinem Auslandsjahr in Kanada nie wieder in die Schule zurückkehren werde und dass ich manche Menschen vielleicht nie wieder sehe. Aber dafür freue ich mich umso mehr auf das, was auf mich zukommt.
Die Zeit seit meinen Abiturklausuren im April ist absolut verflogen und ich hatte kaum einen Tag Langeweile. So war ich im Urlaub mit meiner Familie auf Madeira, habe viel mit Freunden unternommen, habe einen Sprachkurs in Granada gemacht, viel trainiert für meine Tanzaufführung nächstes Wochenende und dann war ich natürlich noch auf den beiden Vorbereitungsseminaren mit meiner Entsendeorganisation, dem Welthaus Bielefeld. Zwischendurch war ich dann noch beim Impfen, habe mich um die Beantragung des Visums gekümmert und noch andere organisatorische Dinge erledigt.
Jetzt komme ich auch endlich mal dazu, die tausende Eindrücke und Informationen, die ich während der Vorbereitung gesammelt habe, niederzuschreiben. Das würde in einem Blogeintrag viel zu lang werden, also geht es jetzt nur grob um das erste Seminar und auf einzelne Themen werde ich in extra Blogeinträgen eingehen, worauf ich auch immer wieder kurz verweise. Auch der Bericht über das zweite Seminar wird in Kürze folgen.
Das erste Vorbereitungsseminar hat Anfang Mai stattgefunden in der Jugendherberge in Bielefeld. Ich habe direkt den Weg vom Bahnhof dorthin nicht gefunden und bin durch Bielefeld geirrt, so dass ich dann natürlich zu spät gekommen bin und die Vorstellungsrunde verpasst habe. Als ich dann in unseren Ecuador-Gruppenraum gekommen bin, sollte ich dann sofort etwas von mir erzählen und mir ist völlig überfordert und außer Puste immerhin noch mein Name eingefallen. Im Kennlernspiel danach habe ich dann natürlich auch vollkommen versagt, weil ich ja keine Ahnung hatte. Die erste Regel, die unsere Referentin später aufgestellt hat, war Pünktlichkeit. So viel zu einem guten ersten Eindruck hinterlassen… den habe ich im Rest der Woche dann aber natürlich wieder wett gemacht.
Nun vielleicht erst einmal ein paar generelle Informationen zu meiner Entsendeorganisation und meiner Gruppe, mit denen ich sehr glücklich bin. Das Welthaus Bielefeld ist ein entwicklungspolitischer Verein, in dem sich rund 120 ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter für globale soziale Gerechtigkeit und eine zukunftsfähige Entwicklung engagieren. Ich habe alle Engagierte immer als sehr freundlich erlebt und man merkt ihnen an, dass die Werte, für die sie sich einsetzen, ihnen wirklich am Herzen liegen. Insgesamt sind wir rund 100 „Weltwärts“ Freiwillige, welche dieses Jahr mit dem Welthaus Bielefeld nach Südafrika, Mosambik, Peru, Mexiko und Ecuador ausreisen. Zunächst sollten auch einige Freiwillige nach Nicaragua gehen, allerdings ist wegen der aktuellen politischen Unruhen im Land diese Ländergruppe aufgelöst und die Freiwilligen auf die anderen Zielländer verteilt worden. Daher sind wir inzwischen auch 16 statt nur 13 Freiwillige, die zusammen nach Ecuador in verschiedene Projekte gehen. Zu unserer Gruppe gehören 12 Mädchen und 4 Jungen, dann noch unsere Referentin Ronja, sowie Herrmann (Er hat die Verbindung zu den verschiedenen Projekten geschaffen) und einige Rückkehrer, welche uns während der Seminare begleitet und von ihren eigenen Erfahrungen berichtet haben. Außerdem nimmt das Welthaus Bielefeld auch Süd-Nord-Freiwillige, also Freiwillige aus Ländern des globalen Südens auf, welche soziale Projekte hier in Deutschland unterstützen. Einige, unter anderem zwei aus Ecuador, haben wir auch kennengelernt und der Austausch war sehr spannend. Die Menschen im Welthaus sind insgesamt alle sehr offen und nett, die ganze Atmosphäre ist familiär und ich habe mich schnell wohlgefühlt.
Nach dem Kennenlernen haben wir das Weltverteilungsspiel gespielt, wo wir Holzfiguren anteilig nach verschiedenen Kategorien, wie z.B. Einwohnerzahl, Energieverbrauch oder Bruttosozialeinkommen, auf Kontinente verteilen sollten. Das war gar nicht so einfach und obwohl ich mir der globalen Disparitäten auch vorher durchaus bewusst war, finde ich es jedes Mal überraschend, genauere Anteile sich vor Augen zu führen. Danach haben wir über den Begriff „Entwicklungsland“ diskutiert, über welchen ich mir ehrlich gesagt zuvor auch noch nie viele Gedanken gemacht habe. Aber da ist mir bewusst geworden wie kritisch er ist. Diese Länder des globalen Südens sind zwar eventuell wirtschaftlich weniger weit entwickelt als Industrieländer, dafür ist ihre Entwicklung in anderen Bereichen schon viel fortschrittlicher. Diese Tatsache ist mir während der Seminare immer wieder bewusst worden und es werden auch noch einige Beispiele dafür folgen.
Danach haben wir uns intensiv mit verschiedenen Aspekten über Ecuador auseinander gesetzt. Zunächst haben wir einen Zeitstrahl mit den wichtigsten geschichtlichen Ereignissen erstellt. Später haben wir in Gruppenarbeit die Themen Politik, Kultur, Geographie und Wirtschaft bearbeitet. Ich könnte jetzt natürlich noch unglaublich viel über Ecuador als Land erzählen, aber dann würde dieser Blogeintrag vermutlich unendlich lang werden. Vielleicht mache ich darüber auch noch einen extra Eintrag.
Zum Glück haben wir zwei Bielefelder in unserer Gruppe, welche uns während unserer Freizeit die schönsten Plätze der Stadt zeigen konnten. Am ersten Abend waren wir bei der Sparrenburg und haben die Aussicht über die Stadt während des Sonnenuntergangs bewundert, sowie uns alle etwas ungezwungener kennengelernt.
In den zweiten Tag sind wir zunächst mit einem Spanischtest gestartet. Der war eine Katastrophe, nachdem ich noch nie sonderlich gut in Grammatik war und meine letzte Spanischstunde auch schon ein paar Monate zurücklag. Aber anscheinend habe ich trotzdem durchschnittlich abgeschnitten. Meine Spanischkenntnisse machen mir immer noch einige Sorgen, weil ich es hasse, mich nicht richtig ausdrücken zu können und ich mich leicht verunsichern lasse. Aber besonders der Sprachkurs in Granada hat mir schon etwas mehr Verständnis für die Sprache und Selbstbewusstsein im Sprechen gegeben. Zwischendurch versuche ich im Moment, noch so viele Vokabeln wie möglich zu lernen, damit ich in Ecuador nicht vollkommen überfordert bin.
Den restlichen Tag haben wir sehr viel Organisatorisches geklärt zu Themen wie Versicherung, Gesundheit oder Förderkreis. Zudem hat jeder Freiwillige den anderen sein Projekt vorgestellt. Die Projekte sind in ganz Ecuador verteilt und haben auch verschiedene Schwerpunkte, aber der Großteil arbeitet mit Kindern und Jugendlichen zusammen, einige aber auch in Umweltprojekten.
Den nächsten Tag haben wir uns einen Vortrag über Entwicklungszusammenarbeit angehört, über den wir später nochmal ausführlicher geredet haben. In diesem Kontext möchte ich noch einmal betonen, dass meine Motivation hinter meinem Freiwilligendienst definitiv nicht ist, Urlaub in einem Entwicklungsland zu machen, dabei den „Oh so armen, hilflosen Kindern“ zu helfen, die Welt zu retten und mich danach wie eine Heldin zu fühlen. Der „weltwärts“ Freiwilligendienst ist ein Lerndienst, von dem beide Seiten profitieren sollen. Einerseits freue ich mich darauf, Kinder und Jugendliche zu unterstützen (wie ich es genauso gut in Deutschland tun könnte), aber andererseits möchte ich auch meinen Horizont erweitern, mehr über die Kultur eines Landes im globalen Süden erfahren, lernen, sensibler und aufmerksamer mit gewissen Themen umzugehen, und diese Erfahrungen mit Anderen teilen.
Als nächstes haben wir uns über Korruption und Bergbau unterhalten, sowie das Konzept Buen Vivir kennengelernt, welches durch die indigene Bevölkerung entwickelt wurde. Zu diesem Thema werde ich definitiv noch einen extra Beitrag hochladen, denn ich finde es sehr interessant.
Am Abend gab es dann noch eine Abschlussfeier zusammen mit allen Freiwilligen des Welthauses. Wir haben uns unterhalten, Karaoke gesungen, ein wenig getanzt und viel Spaß gehabt.
Am letzten Tag haben wir uns noch einmal ausführlicher über die Indigenen in Ecuador unterhalten. Ungefähr 40% der ecuadorianischen Bevölkerung sind indigen, obwohl die Angaben je nach Quelle total unterschiedlich sind. Es gibt 13 indigene Völker mit eigener Sprache, die als „Nationalitäten“ anerkannt sind. Die größte Gruppe sind die im Hochland lebenden Quechua und danach folgen die in Amazonien lebenden Shuar. Mit der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 1998 hat sich die Rechtsgrundlage für die Indigenen maßgeblich geändert, denn seitdem erhalten sie rechtlichen Schutz und Anerkennung. Eine wichtige Rolle in diesem beharrlichen Kampf hat die nationale Indigenen-Organisation CONAIE (Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors) gespielt. Hauptkonfliktfelder sind besonders die Erdölförderung und die damit verbundene Umweltverschmutzung und die Bedrohung des natürlichen Lebensraumes der Indigenen durch die Ausbreitung von Monokulturen.
Danach hat unsere Referentin Ronja noch einen interessanten Vortrag über Bananen und den fairen Handel gehalten, denn sie hat über dieses Thema ihre Masterarbeit geschrieben. Wir haben uns mit den verschiedenen Rollen auseinandergesetzt, die an dem langen Weg der Banane vom Feld zum Supermarkt beteiligt sind und dabei hat sie die Unterschiede zum fairen Bananenhandel herausgehoben. Außerdem hat sie uns ermutigt, uns mit den verschiedenen Ökosiegeln auseinanderzusetzen. Ich denke, dass es natürlich wichtig ist, darauf zu achten, wo und unter welchen Bedingungen Produkte angebaut werden, aber ich kann es auch vollkommenen nachvollziehen, dass diese teurer und daher auch nicht für alle erschwinglich sind.
Nach der Mittagspause kamen dann noch einige Eltern, um das Welthaus besser kennenzulernen und restliche Fragen zu klären. Wir konnten alle nicht mehr sitzen und zuhören nach diesem eindrucksvollen Seminar und haben lieber draußen Tischtennis gespielt.
Zum Abschluss haben wir eine Evaluation gemacht und die ganze Woche nochmal Revue passieren lassen. Alles in einem, war es total schön, die Arbeit des Welthauses und besonders meine Mitfreiwilligen kennenzulernen und sich auszutauschen. Ich habe sehr viele Eindrücke gesammelt und sehr viel gelernt, was ich für die Zukunft mitnehmen möchte. Wenn ihr noch mehr über Ecuador erfahren wollt, lest unbedingt die nächsten Beiträge.
Des Weiteren habe ich bisher rund 500€ durch Spenden eingenommen, für die ich zunächst noch mal herzlich DANKE sagen möchte! Aber das reicht noch lange nicht aus, um die Kosten eines Freiwilligendienstes zu denken. Daher bitte ich euch, um weitere Spenden unter dem Link: https://betterplace.org/p59527 mit dem Versprechen, dass sie beim Welthaus Bielefeld definitiv gut angelegt sind.
Bis bald!
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